Die Natur hatte mich in ihren Bann gezogen als ich mich in Campo Santos Videospieldebüt "Firewatch" in einem Waldschutzgebiet Wyomings wiederfand. In der Rolle von Henry streifte ich durch Büsche und Wiesen, während das Sonnenlicht durch das dichte Blattwerk der Bäume fiel und mich gelegentlich blendete. Über mir hörte ich die Vögel, die miteinander kommunizierten, während der Wind die Äste in Schwingung versetzte und die Blätter zu einem raschelnden Konzert animierte. In mir machte sich ein Frieden breit, dem ich dieser bedächtigen und zugleich in Stille wohnenden Spielwelt verdankte.
"Henry, bist du da?", klang es mit einem kurzen Klackern aus dem Walkie-Talkie, welches mich mitten in der Wildnis mit meiner einzigen Bezugsperson verband ─ Delilah. Eine Frau, die den Sommer wie ich selbst in Wyoming verbrachte und trotzdem so weit entfernt war. Einige Kilometer Fußmarsch trennten meinen von ihrem Aussichtsturm und so bestand die Beziehung lediglich aus Smalltalk und gelegentlich tiefgründigeren Gesprächen. Und all das, während meine Frau sowohl körperlich als auch geistig Welten entfernt war.
Es ist diese Zerrissenheit des Protagonisten Henry, die sich wie ein roter Faden durch "Firewatch" zieht, wenn die Wildnis Wyomings zudem als ein Sinnbild für die Einsamkeit steht, die Henry zum einen verspürt und Delilah gleichzeitig die Sehnsucht nach einer ehrlichen und zugleich charmanten Beziehung widerspiegelt, die Henry so bitterlich mit seiner Frau Julia vermisst.

Dementsprechend machten wir uns auf die Reise zum eigenen Aussichtsturm und stiegen bedächtig die Stufen hoch, ehe wir die Tür öffneten und den Strom anschalteten. Auf dem Tisch fanden wir bereits das Walkie-Talkie, welches im Jahre 1989, in dem das Spiel angesiedelt ist, quasi High-Tech gewesen ist. Schnell ertönte auch die Stimme von Delilah aus dem Lautsprecher, die uns bereits mit einigen Fragen bombardierte und flink klarstellt, dass bei "Firewatch" eben jene Gespräche mit Delilah den Hauptaspekt der Geschichte darstellen werden. Denn die Synchronsprecher Rich Sommer ("Mad Men") und Cissy Jones ("Telltale's The Walking Dead") versprühen einen Charme und eine Chemie, die man in Videospielen bisher selten erlebt hat. Die Gespräche wirken nicht aufgesetzt und das Drehbuch beweist, dass nachvollziehbare und zugleich herzzerreißende Gespräche in Videospielen kein Fabelwesen sein müssen.
Als uns Delilah dann erstmals in die Wildnis geschickt hatte und wir lediglich mit einer Karte, einem Kompass und dem Walkie-Talkie gewappnet waren, hieß es ein Feuer in der Ferne zu finden und bestenfalls zu löschen. Schließlich wollten wir nicht an unserem ersten Arbeitstag einen Waldbrand in unserem Resümee eintragen. So schnappten wir unseren Rucksack und machten uns auf den Weg zum See. Doch wie es am Anfang nun einmal ist, klammerten wir uns an unserer Karte fest und hielten jeden gefundenen Weg mit einem Stift kleinlich genau fest.

Doch darüber hinaus entwickelt sich auch in der Haupthandlung des Spiels ein Thriller, der einen in eine paranoide Stimmung versetzt, nachdem der eigene Aussichtsturm aufgebrochen und verwüstet wurde. Von da an führt jedes Rascheln zu einem Blick nach hinten, jeder Schatten zu einer vorsichtigen Vorgehensweise und die zunächst beruhigende Stille entwickelt sich zu einem bedrückenden Gefühl. In diesen Momenten schafft es Campo Santo mit einem guten Drehbuch stets eine Spannung aufrechtzuerhalten, die durch die immer enger gestrickte Beziehung zwischen Henry und Delilah gar noch verschärft wird. Dabei bleibt man sich stets treu und bewahrt eine nachvollziehbare und nie überzeichnete Geschichte.
Denn es ist eben genau dies, was "Firewatch" so charmant macht. In einer Zeit, in der sich Videospielgeschichten zu häufig in Theatralik oder überspitzer Dramatik selbst verlieren, schafft es Autor Sean Vanaman eine Handlung zu stricken, die stets glaubhaft bleibt und so versinkt man in dem Abenteuer und verschmilzt mit der Figur Henry.
Während "Firewatch" dank der "Unity"-Engine eine einzigartige, pastelllastige Grafik bietet, muss man feststellen, dass die Bildrate in aller Regelmäßigkeit zusammenbricht. Dementsprechend muss man sich auf teilweise sehr starke Ruckler einstellen. Die Musik wird zudem nur in besonders wichtigen Momenten eingespielt, sodass man meist mit den Klängen der Wildnis beschallt wird. Außerdem bietet das Spiel ausschließlich eine englische Sprachausgabe. Deutsche Untertitel sind bisher auch noch nicht vertreten, obwohl sie noch nachgereicht werden sollen.
Fazit: Ein einzigartiges erzählerisches Abenteuer
"Firewatch" bietet eine einzigartige Stimmung und schafft es durch die natürlich gehaltenen Gespräche zwischen Henry und Delilah stets einen Charme zu versprühen, den man nur selten in Spielen erlebt. Zwar können die technischen Unzulänglichkeiten die Stimmung ein wenig trüben, jedoch sollte man diesem Spiel eine Chance geben.
9/10
Entwickler: Campo Santo
Publisher: Campo Santo
Genre: First Person-Adventure
Plattformen: PlayStation 4, PC
Erscheinungstermin: 9. Februar 2016
Preis: 19,99 Euro
Spielzeit: 4 bis 6 Stunden
Sprache: Englisch
Untertitel: Englisch
Testversion: PlayStation 4