Samstag, 20. Juli 2024

Ghost of Tsushima: Der zähe Weg von Lust zu Frust

In all den Jahren als Redakteur hatte ich eine Masse an Nachrichten geschrieben. Und immer wieder kamen ein paar Spiele auf, die einem massiven Hype ausgeliefert wurden. Mal konnte sie die hohen Erwartungen erfüllen, mal gingen sie gnadenlos unter.

Eines dieser Spiele, das sich am Ende einer gewaltigen Beliebtheit erfreuen durfte, war "Ghost of Tsushima" aus dem Hause Sucker Punch. In all den Jahren seit der Veröffentlichung bin ich diesem Spiel aus dem Weg gegangen. Das Interesse war lange Zeit einfach überhaupt nicht vorhanden. Doch vor gut zwei Monaten spielte ich den Titel nach all den Jahren. 

Der Ankündigungstrailer zum Ende des Jahres erscheinenden "Assassin's Creed Shadows" hatte in mir das Verlangen nach einem Samuraiabenteuer geweckt.


Jetzt stellt sich jedoch die Frage, ob mir die Erfahrung von "Ghost of Tsushima" sowie der Erweiterung "Insel Iki" gefallen hat. Ich wusste ja, worauf ich mich in etwa einließ. Schließlich hatten bereits Freunde von vereinzelten Längen berichtet.

Kein Wunder, dass die Samurai besiegt wurden


Als ich in die Rolle von Jin Sakai schlüpfte und mich dem Kampf gegen die Mongolen anschloss, waren meine Erwartungen eher durchwachsen. Und soviel sei vorweggenommen – die Erwartungen hat das Open-World-Abenteuer noch klar unterschritten.

Denn "Ghost of Tsushima" fängt im ersten Akt durchaus interessant an. Ein Samurai, der in der großen Schlacht am Meer seiner Ehre hinterherlief und zu Boden ging. Statt mit seinen "Brüdern" im Sand zu verbluten, wird er gerettet und erholt sich langsam von seinen Wunden. Zumindest von den Äußerlichen. Die tiefen Schnitte seiner Seele versucht Jin damit zu verschließen, dass er seine Insel und sein Volk von den Invasoren befreit. Allerdings muss er dafür auf Mittel und Wege zurückgreifen, die gegen das Credo seiner ganzen Kaste verstoßen.

Es ist ehrlos, wenn man einen Gegner von hinten oder gar aus den Schatten heraus attackiert. Nutzt man auch noch "Diebeswerkzeuge" wie Rauchbomben, dann ist man automatisch unwürdig. Und die Handlung von "Ghost of Tsushima" versucht diesen Aspekt immer wieder durchzudrücken. 

Jedoch blieb mir das Gefühl nicht fern, dass Jin als Hauptcharakter unfassbar blass bleibt und für mich mit seinen Taten meist nichts als reine Dummheit ausstrahlt. Als Samurai müsste er smarter sein, als Geist müsste er viel gerissener sein. Allerdings rennt er von einer dummen und törichten Situation in die nächste und agiert dabei so unfassbar naiv, dass es einfach nur noch wehtut. Wenn dies lediglich Jin wäre, der so eindimensional wirkt, hätte ich dem Ganzen ja noch eine gewisse Absicht zugeschrieben, aber auch andere Charaktere wie Masako und Fürst Shimura haben keinerlei Tiefe und bieten stets nur eine Sichtweise auf die Dinge.

Dies machte "Ghost of Tsushima" für mich im Sinne der Handlung so qualvoll, da die Autoren nie auch nur eine gewisse Tiefe in das ganze Abenteuer bringen konnten. Und da sich die Geschichte über drei Akte abspielt, flehte ich irgendwann, dass es doch alles mal vorbei ist. Doch wollte es nicht so schnell enden.

Schließlich haben Sony Interactive Entertainment und Sucker Punch ein Open-World-Abenteuer erschaffen, das einen mit zig Sammelaufgaben und längeren Questreihen rund um die verschiedenen Nebencharaktere bei Laune halten soll. So weit, so gut. Der Nebel des Krieges, der die Karte verdeckte, insofern man den Bereich nicht abgelaufen ist, nervte mich jedoch bei dem Abarbeiten dieser Aufgaben.

Ich lief letzten Endes jeden noch so kleinen Winkel der Karte ab, um den nächsten Fuchsbau oder das nächste Onsen zu entdecken. Das waren teils so viele Sachen, dass nach dem ersten Akt schon kaum noch Abwechslung hinzukam. Auch in der Erweiterung hatten sich die Entwickler eine neue Funktion überlegt und diese dann immer und immer wieder eingebaut. Ich empfand das Gameplay in der offenen Welt so unfassbar uninspiriert, dass es mich in alte "inFamous: Second Son"-Zeiten zurückversetzte. Auch dort konnte Sucker Punch kaum Mehrwert in die Welt bringen.

"Aber Tobias, das Kampfsystem ist doch spitze. Das kannst du doch nicht kritisieren!"

Ja. Nein. Was anfangs noch gut funktioniert, da man verschiedene Haltungen hat, wird recht schnell doch eintönig. Schließlich hat man alle Haltungen mitsamt den dazugehörigen Fähigkeiten spätestens zum Ende des ersten Aktes freigeschaltet. Danach gibt es kaum noch Sachen, die dem Ganzen noch eine gewisse Tiefe geben, Also war es ein reines Durchgekloppe mit gelegentlichen Haltungswechseln. Daran hatte ich mich auch recht schnell satt gesehen. Da auch die Bosskämpfe nach dem simplen Muster von Duellen absolviert wurden, gab es auch da kaum etwas Neues, was mal mein Interesse weckte.

Die Spielwelt war hingegen soweit durchaus schön anzusehen. Der ganze technische Aspekt von "Ghost of Tsushima" gehört gelobt. Hatte ich mal den einen oder anderen Bug? Sicherlich. Bin ich jemand, den das massiv stört? Nein. Solange es flüssig spielbar ist, bin ich an und für sich schon zufrieden. Und in der Hinsicht kann ich mich nicht beschweren.

Überhaupt war die Insel von Tsushima in einigen Teilen sehr schön designt und der leitende Wind war eine tolle Idee. Aber insgesamt verblasst auch all dies mit zusätzlicher Spielzeit.

Und wer jetzt ein wenig zwischen die Zeilen lesen konnte, der wird schnell erkannt haben, dass meiner Ansicht nach "Ghost of Tsushima" einfach zu lang ausfiel. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre nach Akt I schon Schluss gewesen. Bis dahin hatte ich durchaus Spaß an dem Spiel. Danach war es nur ein ständiges Wiederholen ohne jegliche sinnvolle Entwicklung. 

Auch mein Interesse an Samuraiabenteuern war danach sehr schnell abgeflacht. Deswegen mache ich jetzt das, was die Entwickler hätten machen sollen ... Schluss.