Freitag, 1. April 2022

Elden Ring: Kein Spiel für Komplettisten!


From Softwares Open-World Action-Rollenspiel "Elden Ring" ist seit seiner Veröffentlichung Ende Februar in aller Munde. Die Kritiker überschlugen sich mit Lobeshymnen und priesen Hidetaka Miyazakis neuestes Werk als eines der besten Spiele aller Zeiten.

Dies sind riesige Lorbeeren, die dem neuesten "Souls"-Abenteuer angehaftet wurden, ehe der Titel überhaupt in die Hände der gemeinen Spieler:innen gelangte. Als sei dies nicht genug, wurde seitens des Publishers Bandai Namco Entertainment jahrelang eine Zusammenarbeit mit dem Fantasy-Schriftsteller George R.R. Martin proklamiert, der mit seiner "Das Lied von Eis und Feuer"-Buchreihe und der daraus entstandenen "Game of Thrones"-TV-Serie eine immense Popularität genießt. Zudem konnte From Softwares letztes Spiel "Sekiro: Shadows Die Twice" auf internationalen Preisverleihungen die Auszeichnung als "Spiel des Jahres" abräumen.

All diese Umstände sorgten für eine enorme Erwartungshaltung, die Miyazaki mit seinem Team laut Kritikern erfüllt zu haben schien. Und ich muss sagen, dass ich mich wirklich auf das Abenteuer gefreut hatte, noch ehe Prädikate wie "Beste offene Spielwelt aller Zeiten" und "Bestes Spiel aller Zeiten" ─ oder was auch immer da noch im Presseäther herumschwirrte ─ die Runde machten. Soviel sei vorweggenommen, ich wurde nicht enttäuscht. 

Nichtsdestotrotz gehe ich mit den Meinungen meiner Pressekollegen nicht ganz mit.

Vom Maskenträger zum Magier zum Eldenfürsten


Meine Reise in die Zwischenlande begann wie in jedem "Dark Souls" und "Demon's Souls" mit der
Charaktererstellung. Vorab der Veröffentlichung hatte ich mir vorgenommen, dass ich mich von meinem sonst reinen auf Geschicklichkeit geskillten Charakter entferne und mehr als nur mein geliebtes Kurzschwert nutze. Gesagt, getan. Es sollte mich die nächsten 150 Spielstunden der Gefangene Tobyn Lannister (ja, eine "Game of Thrones"-Referenz konnte ich mir nicht verkneifen) begleiten. 

Ich wollte mich nicht allzu lange als "Mann in der eisernen Maske"-Cosplayer durch die weitläufige Spielwelt begeben, weshalb ich mir alles anlegte, was ich finden konnte. Dies ist irgendwo auch das Spielkonzept hinter "Elden Ring".

Schließlich hat man von Beginn an die freie Wahl, wohin einen die eigene Reise führen wird. Reist man durch Limgrave und nimmt alle Höhlen und Katakomben auf dem Weg mit oder macht man Abstecher in den Nebelwald, auf die Halbinsel der Tränen der oder gar nach Caelid? Man entscheidet selbst. Klar sollte nur sein, dass man die Chance hat bessere Ausrüstung zu finden, wenn man sich durch die kleinen Dungeons kämpft und die unvermeidlichen Bossgegner besiegt. Und da die Belohnungen nicht zufällig sind, gibt einem From Software bereits früh einige nützliche Gegenstände an die Hand. Man muss sie eben nur finden.

Ganz im Stile eines "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" oder auch "The Elder Scrolls V: Skyrim" erkundet man jede Ecke dieser Fantasy-Spielwelt, die mit teils garstigen Gegnern, abscheulichen Kreaturen und fiesen Fallen gespickt ist. Und das Erkunden machte mir einfach Spaß! 

Zu viel gesehen!


Keine Ecke blieb unberührt und ich hinterließ eine Schneise aus Blut und Verderben. Harmlose Tiere, die als Quelle von Herstellungsmaterialien dienen, mussten ebenso meiner anfänglichen Stichwaffe und meinem späteren Morgenstern zum Opfer fallen wie die überdimensionierten Fledermäuse, Krabben oder Oktopusse, die mir an den Kragen wollten. 

Außerdem sprang ich entweder zu Fuß oder auf meinem treuen Ross auf allen möglichen Dächern umher, um auch noch das letzte Geheimnis zu entdecken. 

So wurde "Elden Ring" zu meinem persönlichen Jump 'n' Souls. Und sei es nur ein weiterer Schmiedestein für meine üppigen und gut sortierte Steinsammlung, den ich hinter der zweiten Ecke und nach drei gezielten Sprüngen über Grabsteine finde. Es musste erkundet werden!

Aber darin ist meiner Meinung nach auch direkt das Damoklesschwert dieses Abenteuers versteckt. Erkundet man nämlich alle Orte dieser Spielwelt, wird man zwar mit zahlreichen Waffen, Rüstungen und mehr belohnt, jedoch sieht man auch zu häufig alte Bekannte wieder. Um die Dungeons zu füllen, hat From Software auf das Recycling von Bossgegnern zurückgegriffen, sodass man sie meist nicht nur einmal oder zweimal in einem vollständigen Spieldurchgang trifft. Teilweise kann es schon fast eine zweistellige Anzahl an Aufeinandertreffen geben ─ und da setzte bei mir die Ernüchterung ein.

Ich fieberte den Bosskämpfen nicht mehr so entgegen, wie ich es aus früheren From Software-Spielen kannte. Stattdessen waren es später meist die Dungeons selbst, die mir mehr Spaß bereiteten als der eigentlich geplante Höhepunkt eben dieser. 

Darüber hinaus wird man irgendwann schon ziemlich übermächtig, wenn man alles in "Elden Ring" absolviert. Es lief darauf hinaus, dass ich am Ende des ersten Durchgangs mit Charakterlevel 193 dastand, mein Mondschleier-Katana in der Hand hielt und mächtige Zauber im Repertoire hatte. Tja, die Gegner stellten keine sonderliche Herausforderung mehr dar. Selbst einen zweiten Durchgang hatte ich mit fünf Toden in wenigen Stunden hinter mich gebracht.

Und wenn ich all dies Revue passieren lasse, dann komme ich zu dem Schluss, dass "Elden Ring" nicht entworfen wurde, damit man alles im ersten Durchgang erlebt. Vielmehr hat man eine packendere und abwechslungsreichere Spielerfahrung, wenn man wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte der Spielwelt und Geheimnisse zu Gesicht bekommt.

Nicht nur, dass man auf zig Kämpfe mit den Grabwächterhunden verzichten würde. Man hätte auch nicht die Auswahl aus so ziemlich jeder Waffe, jedem Schild und jeder Rüstung im Spiel; gepaart mit Zaubern und Anrufungen.

Aber als Gamer sind wir heutzutage so konditioniert, dass wir ─ vor allem in Open-World-Spielen ─ 100 Prozent abschließen möchten. Es reicht nicht, dass man nur den Abspann sieht. Vielmehr muss alles erlebt werden wie es uns Ubisoft und Rockstar Games in den letzten Jahrzehnten gelehrt hatten. Und genau dabei fällt "Elden Ring" dann qualitativ ab. 

Nichtsdestotrotz bleibt es ein großartiges Abenteuer, in dem man eine Menge erleben kann. Nur die schiere Masse an Bossgegnern, die vor allem mehrfach auftauchen, sorgt bei mir dafür, dass ich mich auf lange Sicht an die meisten nicht mehr werde erinnern können, während ich aus "Dark Souls 3" und "Sekiro: Shadows Die Twice" noch Jahre später die meisten Bosse benennen könnte. Es fehlt mir einfach der euphorische Jubel, nachdem ich endlich einen schwierigen Kampf geschafft habe. Dafür ist "Elden Ring" für 100-Prozent-Spieler dann doch keine Herausforderung.

Dementsprechend sollte man sich gut überlegen, wie man "Elden Ring" angeht. Untersucht man jeden Winkel oder nimmt nur dann und wann einen Dungeon mit, wenn man über ihn stolpert? Die Entscheidung ist letztendlich jedem selbst überlassen.

Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung nur sagen, dass ich lieber weniger gemacht hätte.