Sonntag, 4. Februar 2018

Eine Sinfonie des Kampfes im Kreislauf des Lebens - NieR: Automata - Platz 1 der besten Spiele des Jahres 2017

2017 war ein bewegendes Spielejahr, in dem einige meiner liebsten Spielereihen ihr PlayStation 4-Debüt im Westen gefeiert hatten. Jedoch konnten weder "Yakuza Zero" noch "Persona 5" bei mir als bestes Spiel des Jahres in die Annalen eingehen.

Dieser Titel wurde ihnen von dem Action-Rollenspiel "NieR: Automata" streitig gemacht, das sich ─ für mich überraschend ─ in mein Herz spielen konnte. Platinum Games und Creative Director Yoko Taro haben mir mit diesem einzigartigen Epos ein Erlebnis auf den Bildschirm gezaubert, das ich in dieser Art und Weise nicht erwartet hatte. Der Vorgänger "NieR: Gestalt" konnte mich schließlich seinerzeit nicht überzeugen, auch wenn ich ihn mir wohl noch einmal anschauen sollte.

In "NieR: Automata" gelingt es Platinum Games ein weiteres Mal das actionreiche Gameplay auf den Punkt zu bringen, Nachdem bereits Spiele wie "Bayonetta" und "Vanquish" ein höchst präzises, wenn auch knackiges Gameplay geboten hatten, schnetzelt man sich auch mit dem weiblichen Androiden 2B unglaublich stilvoll durch die Massen an Maschinen, die sich einem in allerlei Formen und Varianten in den Weg stellen. Dabei hat man auch die Möglichkeit die Tastenbelegung den eigenen Wünschen anzupassen. Somit konnte ich einige Änderungen vornehmen, damit die Steuerung mit meinen eigenen Präferenzen übereinstimmt und ich nicht ständig von falschen Eingaben in meiner Immersion gestört werde. Von da an waren die Kämpfe, die größtenteils aus klassischen Hack 'n' Slay-Mechanismen bestehen, ein ästhetisch ansprechender Tanz, der mit Schlägen, Ausweichmanövern, Kontern, Sprüngen und dauerhaften Schüssen so leicht von der Hand geht, dass man sich wie im Rausch durch ganze Horden von Maschinen kämpfen kann. Dies ist auch vollkommen passend, wenn man bedenkt, dass 2B ein YoRHa-Android ist, der explizit für das Kämpfen erschaffen wurde. 

Gemeinsam mit dem Scanner-Androiden 9S begibt man sich nach einem bereits nervenzerreißenden Tutorial, das mit Bullethell-Mechaniken im Stile klassischer Shoot 'em Ups, den bereits erwähnten Hack 'n' Slay-Systemen und gar 2,5D-Abschnitten einen Genremix bietet, auf ein philosophisches Abenteuer, in dem die Frage nach dem Sein durch künstlich erschaffene Lebewesen abgehandelt wird. Können Maschinen Gefühle entwickeln und sich nach dem Vorbild der Menschen formen? 

Das Tutorial endet im Übrigen mit einem Bosskampf gegen eine gigantische Maschine namens Engels und gewährt bereits einen Ausblick auf den gesamten Spielverlauf. Sozusagen ist dies eine Studie, die den Spielern alle Mittel an die Hand gibt, um in "NieR: Automata" erfolgreich zu sein. Von da an kann man sich auf eine Tour voller philosophischer Themen begeben, die einen auch nach dem Spielen weiterhin beschäftigt. "NieR: Automata" liefert nämlich keine Handlung im Maßstab von Kammermusik. Stattdessen fährt Yoko Taro ein ganzes Orchester voller Themen auf, die sich mit dem Kreislauf des Lebens befassen. Von der Geburt über die Emanzipation bis hin zum Tod und der darauffolgenden Wiedergeburt. "NieR: Automata" ist eine spielerische Oper voller Facetten, die man in der Form noch nicht erlebt hat. Inszenatorisch setzt Yoko Taro die Zwischensequenzen so akzentuiert ein, dass man nur selten die Kontrolle verliert. Wenn die Handlung unmittelbar vor dem Beginn eines Kampfes erzählt wurde, bekam ich immer wieder das Gefühl, als würde ich mich inmitten eines Duells im Wilden Westen befinden.  

Die Geschichte, die in drei Akten erzählt wird, lässt einen eine halboffene Spielwelt erkunden, die verschiedene Bereiche wie eine Stadtruine, eine Wüste oder auch einen Wald zu bieten hat, in denen nur noch Maschinen und vereinzelte Tiere und Androiden zu finden sind. In dieser dystopischen Spielwelt kann man im Spielverlauf beinahe mit verbundenen Augen von Gebiet zu Gebiet marschieren, da einen "NieR: Automata" nicht mit einer gewaltigen Welt im Stile eines "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" oder "Assassin's Creed: Origins" überfordert. Stattdessen wirkt die Spielwelt schon beinahe intim, da Platinum Games klare Grenzen setzt. Mit 60 Nebenmissionen werden auch zahlreiche Charaktere und Geschichten geboten, die die Lore noch einmal unterstreichen und einige Zusatzinformationen liefern. Die Dialoge sind dabei immer wieder so charmant geschrieben, dass ich ein Mitgefühl für die Maschinen entwickelt habe, die ich den Großteil des Spiels erbarmungslos ausgeschaltet hatte.

Spielerisch hat "NieR: Automata" jedoch auch ein Plugin-Chipsystem zu bieten, das es einem ermöglicht die eigenen Fähigkeiten des Charakters zu verbessern und zu erweitern. Jeder Chip benötigt eine gewisse Anzahl an Speicherplätzen, die jedoch beschränkt sind. Somit muss man gut überlegen, welche Chips man einbindet und auf welche man doch lieber verzichtet. Selbstverständlich kann man die Chips auch aufwerten, um die Vorzüge noch zu verschärfen. 

Ich hatte einen enormen Spaß daran mit den Chips zu experimentieren und zu schauen, wie ich meine Speicherplätze noch effizienter nutzen kann. Vor allem die Kombination mit der umfangreichen Auswahl an Waffen, die ebenfalls spezielle Fähigkeiten haben, sorgt für genügend Abwechslung im Kampfsystem, sodass ich auch nach zig Stunden nie Langeweile verspürt hatte. Stattdessen wollte ich stets schauen, welche Möglichkeiten mir Platinum Games noch zur Verfügung stellt.

"NieR: Automata" ist es gelungen mir eine Geschichte näherzubringen, die über 50 Stunden mit verschiedenen Perspektiven, drei Akten und einem emotionalen Finale zu überzeugen und mitzureißen weiß. In Kombination mit dem Gameplay in bekannter Platinum Games-Qualität und einem Soundtrack, der mit seiner dynamischen Einbindung und seinem unglaublichen Sinn für stimmungsgeladene Melodik für Gänsehaut sorgt, ergibt sich somit ein Action-Rollenspiel, an dem ich Schwächen mit einer Lupe suchen muss. Für mich ist dieses Abenteuer die nahezu perfekte Sinfonie. Yoko Taro schwingt sich beinahe über Nacht zum Beethoven der Spieleindustrie auf. Somit bin ich ab sofort mehr als gespannt darauf, was dieses Kreativgenie in der Zukunft erschaffen wird.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen